An diesem Tag erkannte ich, dass mein Partner zu viel Alkohol trank. Natürlich war das schon länger der Fall. Frage mich nicht, warum ich es nicht schon eher gesehen habe.

Ja doch, ich gebe es zu. Ich wollte es nicht sehen. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Weil es normal ist, Alkohol zu trinken. Weil das ja keine Droge ist. Oder?

Aber es ist doch so: Mein Partner liegt nicht in der Gosse. Er setzt sich nicht im Frankfurter Hauptbahnhof Tag für Tag eine Spritze.

Mein Partner ist ein ganz normaler Angestellter, verdient gutes Geld und kaum jemand kennt das Problem. 

Ich kenne es. Das ist es. Ich kann nicht damit leben. Ich bin mitbetroffen.

Geht es dir auch so? Dann zeige ich dir jetzt, was du tun kannst:

 

1. Nimm all deinen Mut zusammen und packe das Alkoholproblem auf den Tisch. Leugne es nicht länger.

Ich weiß, das ist viel verlangt. Ich habe das erst viel zu spät getan. Tu es eher, wenn es noch eine Chance geben soll.

Du denkst, das tust du sowieso schon viel zu oft und es hat bisher nichts gebracht.

Dann stelle ich hier klar, was ich nicht meine: 

Nörgeln wie “Hast du schon wieder etwas getrunken?” 

Jammern wie “Muss ich schon wieder alles alleine machen? 

Drohen wie “Wenn du so weitermachst, trenne ich mich von dir.”

Es handelt sich hier um ein Grundsatz-Gespräch, das möglichst nicht wiederholt wird. Du kannst höchstens 2-3 Mal daran erinnern, wenn nötig.

Es geht darum, dass du Position beziehst. Dass dein Partner sieht, wer du bist. Mit dir ist jetzt zu rechnen. Du wirst dir kein X vor’s U machen lassen.

Sprich darüber, was du an deinem Partner liebst. Womit kommst du klar? Womit kommst du gar nicht klar? Was wirst du nicht weiter akzeptieren? Was passiert, wenn sich nichts ändert?

Zeige deinem Partner, wie es dir wirklich geht. 

Rechne damit, dass dein Partner abstreitet, ein Alkoholproblem zu haben. 

Das ist zu erwarten. Er hat nur eins im Sinn: ungestört Alkohol zu trinken. Das nächste Glas Bier, das nächste Glas Wein, das nächste Glas Schnaps…

Du störst, merkst du das? 

Wenn seine Alkoholabhängigkeit fortschreitet, dann wird der Suchtdruck noch stärker.

Deshalb brauchst du für diesen Weg besonders viel Mut. 

Mut für dich einzustehen. Mut deine Grenzen abzustecken. 

Du möchtest das Problem gern kleiner machen. Du möchtest wegschauen. Ich weiß. 

Wie sehr sehnst du dich nach einer ganz normalen Partnerschaft, wo ihr euch zwanglos mitteilen könnt, was ihr auf dem Herzen habt. Und wo jemand dich anhört und respektiert. 

Es ist bitter, aber das ist keine ganz normale Partnerschaft.

Deshalb: Sei mutig und lass dich nicht abbringen von deinem Vorhaben.

 

2. Sei konsequent. Zeig dass du es ernst meinst. Lass nicht locker.

 

Es nutzt niemanden etwas, wenn das Alkoholproblem, einmal ausgesprochen, wieder unter den Tisch fällt. 

Aber die Gefahr ist groß.

Es kann schwer sein, die Reaktionen deines süchtigen Partners auf das Gespräch auszuhalten.

Ich greife hier 3 mögliche Reaktionen heraus, die auftreten können:

  • Spielt er das Alkoholproblem herunter, konterst du womöglich mit Gegenbeweisen. Das ist verständlich. Ob es etwas bewirkt, ist fraglich. Es kann aber die Spannung zwischen euch noch mehr aufheizen und aggressiver werden lassen. Pass auf dich auf.

  • Er lässt sich von deinen Gegenbeweisen einschüchtern und sagt halbherzig zu, etwas zu ändern. Du lässt dich darauf ein. Natürlich wird er nichts ändern. Falls er alkoholkrank ist, so ist das mit reiner Willenskraft auch nicht mehr möglich.

  • Er schiebt dir die Schuld zu. Weil du das und das tust, muss er trinken. Ein beliebtes Manöver. Oft wird auch noch verallgemeinert. Weil du so und so bist, kann er gar nicht anders, als zu trinken. 

Bist du anfällig für Schuldgefühle? 

Dann trifft er bei dir in die offene Wunde. Du trittst kleinlaut den Rückzug an.

Du sehnst dich nach dem bequemeren Weg. Du hast es satt. Die Daueranspannung zerrt an deinen Nerven. Du bist kraftlos und erschöpft. Dann gibst du eben auf. Der Schmerz sitzt tief, den die Stimmungsschwankungen und Beleidigungen deines Partners bei dir auslösen. 

Das verstehe ich nur zu gut.

Da passiert es. Das Alkoholproblem rutscht wieder unter den Tisch.

Ungünstiger Nebeneffekt: Du wirst nicht mehr ernst genommen.  Wo ist dein entschiedenes Auftreten? Wo sind deine klaren Standpunkte, die du im Gespräch vertreten hast?

Sie lösen sich auf in Schall und Rauch. 

Du mutierst zur schwachen Randfigur.

Die Co-Abhängigkeit hat dich fest im Griff.

Willst du das? Nein? 

Diesen Weg gehen nur starke Frauen. Sei eine starke Frau.

Stehe wieder auf. Besinne dich auf deine Stärken. Ziehe deine Energie wieder hervor. Und sei die, die du auch sein kannst.

Entschlossen, hartnäckig und notfalls auch schonungslos.

 

3. Biete deine Unterstützung an.

Ja du hast richtig gelesen. Du darfst deine Hilfe anbieten.  

Im Suchtbereich gibt es gegensätzliche Standpunkte dazu.

Die einen sehen dich als die blasse Angehörige, die die Sucht ihres Partners noch fördert und die man dafür gewinnen muss, dem Süchtigen beim Ausstieg zu helfen.

Die anderen schlagen die Hände über dem Kopf zusammen und raten dir, dich sofort von deinem Partner zu trennen. 

Ich bin der Meinung, Du darfst helfen, aber nur unter 2 Bedingungen:

  • Dein Partner hat verstanden, dass er ein Alkoholproblem hat. Er sagt es nicht nur, um dich einzulullen oder zu beruhigen. Nein er hat wirklich erkannt, dass er machtlos gegenüber dieser Droge ist. Dass sie sein Leben zerstört und eure Beziehung. Er hat erkannt, dass er Hilfe von außen braucht –medizinische und psychologische Hilfe- und nimmt sie auch an.

  • Du willst deinen alkoholgefährdeten Partner wirklich unterstützen. Es gibt noch eine Basis. Du respektierst und liebst ihn noch. Du siehst eine Chance für deine Beziehung, Partnerschaft, Ehe.  

Dann biete ihm deine Hilfe an.

Aber akzeptiere auch seine Reaktion:

Er kann deine Hilfe annehmen, aber auch ablehnen. 

Du kannst deinen Partner nur in den Schritten unterstützen, die er bereit ist zu gehen.

Ist dir das wirklich klar?

Nicht du bestimmst, welche Schritte er mit wem geht.

Sondern er allein.

Alles andere ist nicht von Erfolg gekrönt. 

Es kann ein langer, schwieriger und steiniger Weg sein. Selbst wenn dein Partner einen Entzug durchgestanden hat, ist es noch nicht vorbei. 

Achte auf dich. Auf dein Leben. Verliere es nicht.

 

4. Nimm Abstand oder trenne dich.

 

Es kann notwendig werden, sich von einem alkoholabhängigen Partner zu trennen. 

Entscheide heute noch, ob du einen Abstand brauchst und wie groß dieser sein soll.

Gehe einfach in ein anderes Zimmer, um allein zu sein. Oder mache einen Spaziergang, um deine Gedanken zu sortieren.

Ich kenne deine Lage nicht, in der du dich gerade befindest.

Aber glaube mir: Du musst keine Situationen ertragen und aushalten, die dich stark ängstigen. 

Wenn dich dein alkoholabhängiger Partner bedroht oder Gewalt ausübt, dann gehe. Schütze auch deine Kinder und nimm sie mit. 

Überprüfe die Möglichkeit, einige Tage bei Verwandten, Freunden oder Nachbarn unterzukommen.

Du darfst zu jedem Zeitpunkt gehen und dich trennen. 

Dir ist vielleicht bekannt, dass sich bei chronischem Alkoholmissbrauch das Wesen deines Partners ändern kann. Über eine längere Zeit verändert sich seine gesamte Persönlichkeit. Der suchtmedizinische Fachbegriff dafür ist Alkoholische Wesensänderung. 

Du kannst das nicht einfach aussitzen. 

Du hast das Recht, dich zu trennen. Sogar für immer. 

Dieser Weg ist schmerzhaft für alle Beteiligten. Ich weiß. Er wirbelt dein ganzes Leben durcheinander.

Aber auch wenn es so aussieht, als ob du ihn fallenlässt. Er es dir vorwirft. Und du dich selbst schuldig fühlst. Und es Menschen in deinem Umfeld gibt, die nicht verstehen, was du tust.

Es ist womöglich die größte Form von Hilfe, die du ihm geben kannst. 

Und sollte das nicht zutreffen: 

Du bist auf jeden Fall auf dem Weg.

Aus der Co-Abhängigkeit hinaus in ein neues Leben.