Ist dein Partner alkoholabhängig?
Es ist fast unausweichlich, dass diese bohrende Frage früher oder später auftaucht.
Warum?
Weil es von der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung nicht toleriert wird, dass jemand alkoholabhängig ist.
Viel Alkohol trinken, das scheint da etwas anderes zu sein. Auf dem Oktoberfest in München wird es sogar öffentlich zelebriert.
Stell dir doch einmal vor, wie folgender Film abläuft:
Du besuchst mit deinem Partner eine Feier, auf der es – wie kann es auch anders sein – normal ist, Alkohol zu trinken.
Sagen wir es doch einmal deutlich: Es ist erwünscht, Alkohol zu trinken und es ist unerwünscht, dies nicht zu tun.
Du freust dich so, Freunde oder Verwandte nach langer Zeit wiederzusehen.
Und ja, es gibt etwas zu feiern und ja dazu gehört Alkohol. Wer will das bestreiten? Es erleichtert dich kurzfristig, so zu denken. Aber wirklich nur kurzfristig.
Denn dann passiert es: Du riechst etwas, als ihr euch begrüßt.
Es ist kein Rosenduft.
Und du nimmst diesen Geruch nicht bei deinen Freunden wahr.
Dein Partner neben dir hat eine Fahne.
Er hat eine Fahne, obwohl die Feier noch nicht einmal begonnen hat.
Du spürst einen Stich in der Herzgegend. Deine freudige Stimmung ist sofort getrübt.
Wie kann er nur? Wenn das jemand mitbekommt? Das müssen ja die anderen merken. Das ist ja peinlich. Wie viel und was hat er getrunken? Bier, Wein, Schnaps? Wie viele Gläser davon?
Das Gedankenkarussell beginnt sich zu drehen.
Du weißt, dass an diesem Abend noch mehr passiert.
Willst du das lieber ausblenden, beschönigen, bagatellisieren?
Ich rate dir, genau hinzuschauen. Was beobachtest du?
Das alles könnte während dieser Feier passiert sein:
- Dein Partner trinkt nicht nur, sondern schüttet den Alkohol in sich hinein. Seine Stimmung steigt und wird zunehmend euphorisch. Gleichzeitig wird seine Stimme lauter und übertönt schon mal dein eigenes ruhiges Auftreten.
- Dein Partner ignoriert dich den ganzen Abend. Er umgibt sich sofort mit Leuten, die ähnlich große Mengen an Alkohol konsumieren. Es scheint gerade so, als ob er nichts mehr mit dir zu tun haben will.
- Du trinkst mit. Ein paar Gläser mehr als du verträgst. Einfach um dabei zu sein. Ein verzweifelter Versuch, deinem Partner nahe zu bleiben. Doch du schaffst es nicht.
- Dein Partner verhält sich Freunden gegenüber rechthaberisch und provozierend. Damit löst er einen Streit aus. Das vergiftet die Atmosphäre.
- Es fällt auf, dass dein Partner Freundinnen gegenüber besonders vertraulich auftritt. Da könnte man ja glatt den Eindruck haben, es läuft etwas. Du fühlst dich allein und abgelehnt inmitten der Leute.
- Die meisten der Leute haben sich schon verabschiedet. Dein Partner ist einer der letzten. Er sitzt mit einer anderen Frau in einer Ecke, die ebenfalls stark angetrunken ist. Die beiden demonstrieren große Übereinstimmung. Du gehst alleine nachhause.
- In der Nacht kommt dein Partner nachhause und weckt dich aus dem Schlaf. Er will mit dir reden. Du stehst sofort auf. Leider kann er die Sätze nicht mehr zu Ende bringen. Er hat jetzt ein Tief und du musst aufpassen, dass er dich nicht mit in den Strudel zieht.
Erstelle eine Liste mit deinen eigenen Beobachtungen und Gefühlen bei einer Feier. Versuche einfach nur zu beobachten, ohne zu bewerten. Und nimm dann deine Gefühle dazu wahr. Mach das ruhig schriftlich. Das ist wirksamer. Wichtig ist, dass du dranbleibst. Bei jedem Anlass, bei jeder Feier. Dadurch bekommst du einen Abstand zu den Geschehnissen.
Was immer in mir zurückblieb war die quälende Frage:
Ist mein Partner alkoholabhängig?
Oder ist das noch Alkoholmissbrauch? Müsste ich das akzeptieren? Tolerieren? Bin ich gar schuld?
Ich recherchierte und grübelte und recherchierte und grübelte. Im Internet, in Büchern.
Hilfreich waren für mich das Phasenmodell des amerikanischen Psychologen Elvin Molton Jellinek und die Stufen der Alkoholabhängigkeit von Dr. med. Matthias Brecklinghaus.
Ich konnte keine Antwort finden. Ich konnte nicht mehr klar sehen.
Alkoholismus ist eine Krankheit und ich bin keine Ärztin.
Aber es kam noch etwas anderes dazu:
Ich wollte der Wahrheit nicht ins Auge sehen.
Ich hatte so ein diffuses Gefühl der Angst. Ich ahnte, dass etwas nicht in Ordnung ist. Aber nein: Ich wollte das Kind nicht beim Namen nennen.
Ich fühlte mich unsicher. Es war, als ob ich auf Glatteis ging und Halt suchte. Als ob mein Leben Risse bekam und ich den Boden unter den Füßen verlor.
Du merkst, wie ich langsam die Kontrolle über mein Leben verlor.
Ich suchte im Internet nach den Merkmalen einer guten Beziehung.
Okay, du lachst 😉 Auch gut, dann können wir ja entspannt weitermachen.
Warum ich das tat? Ich war verunsichert, wusste nicht mehr, was richtig und falsch ist. Ich konnte meiner eigenen Wahrnehmung nicht mehr trauen.
Dieses Auf und Ab.
Diese Unberechenbarkeit, die Nörgeleien, all die Dramen im Zusammenleben mit einem alkoholgefährdeten Partner.
Ich versuchte:
- ihm alles recht zu machen.
- seine Wutausbrüche zu verhindern.
- ihm aus dem Weg zu gehen.
- mich zu ändern.
- Konflikte zu vermeiden.
- Seine Gedanken zu erraten, noch bevor er sie dachte…
Ich befand mich lange in dieser ausweglosen Situation.
Ich wollte doch nur ein Stück Sicherheit zurückgewinnen. Auf der Suche nach der Wahrheit und einer klaren Diagnose.
Es ist klug, Fragen zu stellen.
Diese Frage gehört nicht dazu.
Sie ist eine Ausnahme.
Sie ist falsch gestellt.
Es geht gar nicht darum.
Die Frage, ob dein Partner alkoholabhängig ist, führt in eine Sackgasse.
Sie führt weg von dir.
Willst du das wirklich? Willst du auf dem Weg in die Co-Abhängigkeit weitergehen?
Das im Kreis drehen und in der Sackgasse landen – das kannst du dir sparen.
Die Frage ist eine andere.
Du willst sie wissen?
Sie ist ganz persönlich. Nur du kennst sie.
Mach dich auf die Suche nach dir selbst.
Der Slogan Bei mir selbst bleiben wurde zum Wegweiser, zur Richtschnur, zum Kompass in meinem Leben.
Was heißt: Bei mir selbst bleiben?
Das ist egoistisch? Du liebst deinen Partner und willst ihm doch helfen?
Ganz ehrlich: Nur wenn ich bei mir selbst bin, kann ich dem anderen helfen und auch nur so weit, wie er sich helfen lassen will.
Aber das ist ein anderes Thema. Im Blogbeitrag „4 Wege, wie du deinem alkoholabhängigen Partner hilfst“ erfährst du mehr.
Findest du dich in der Beispiel-Liste wieder? Welche eigenen Beobachtungen hast du gemacht? Teile deine Erfahrungen in den Kommentaren. Ich freue mich darauf.
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